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Landesdenkmalamt Baden-Württemberg
Technische Kulturdenkmale

Gutachten zur Eintragung in das Denkmalbuch gemäß § 12 DSchG

Die Gesellschaft zur Erhaltung von Schienenfahrzeugen mit Sitz in Stuttgart, vertreten durch ihr Vorstandsmitglied Gerhard Kirchner, beantragt gemäß § 12, Abs. 2, Nr. 1 die Eintragung folgender Sachgesamtheit in das Denkmalbuch:

Den sog. "Hohenzollernzug" bestehend aus folgenden Einzelfahrzeugen:

Fahrzeug Hersteller Baujahr
Dampflokomotive 11  Maschinenfabrik Esslingen  1911
Dampflokomotive 16 AEG 1928
Personenwagen 3 Beuchelt & Co. 1900
Personenwagen 6 Beuchelt & Co. 1900
Personenwagen 7 Beuchelt & Co. 1900
Personenwagen 9 Beuchelt & Co. 1900
Personenwagen 21 Waggonfabrik Rastatt 1908
Personenwagen 22 Waggonfabrik Rastatt 1908
Personenwagen 24 Waggonfabrik Rastatt 1908
Personenwagen 26 Waggonfabrik Rastatt 1908
Packwagen 73 Beuchelt & Co. 1900
Packwagen 74 Beuchelt & Co. 1900
Packwagen 77 Beuchelt & Co. 1900

Heimatbahnhof sämtlicher Fahrzeuge ist Neuffen im Lkrs. Esslingen.

Zu diesem Antrag nimmt das Landesdenkmalamt durch seinen Referenten für Technische Kulturdenkmale wie folgt Stellung:

Das Fahrzeugmaterial ist mit vollem Recht als Sachgesamtheit zu verstehen, da die einzelnen Fahrzeuge entsprechend dem Betriebskonzept der Hohenzollernschen Kleinbahn Gesellschaft, ab 1907 Hohenzollerische Landesbahn, je nach Bedarf in Personenzüge, Güterzüge mit Personenbeförderung oder Güterzüge eingestellt wurden.

Unabhängig von ihrem jeweiligen Baujahr verblieben die Fahrzeuge in dieser Funktion bis sie ausgemustert oder innerhalb des Bahnbetriebs anderweitig verwendet wurden. Alle Fahrzeuge sind in Fahrgestell, Aufbau und Radsätzen aus dem Betriebszustand heraus überliefert, die Personenwagen 3, 6, 21, 22 und 26 besitzen außerdem noch die originale Innenausstattung, die sie während des fahrplanmäßigen Betriebs erhalten hatten.

Die besondere Bedeutung der Sachgesamtheit gründet sich zunächst auf die Tatsache, dass von der dritten "Staatsbahn" - neben der Badischen und Württembergischen - noch ein repräsentativer Querschnitt ihres rollenden Materials überliefert ist, der dem rund 60 Jahre langen Eisenbahnbetrieb des HZL-Netzes im regulären Verkehr entspricht. Im Vergleich dazu ist das überlieferte Material der beiden Staatsbahnen höchst selten und vereinzelt. Zur besonderen Bedeutung trägt auch bei der unmittelbare Vergleich der beiden ersten Generationen von Personenwagen, der 2-Achser von 1900 und der Drehgestellwagen von 1908. Im direkten Nebeneinander sind sie eine seltene, aussagekräftige Quelle für den Fahrzeugbau am Anfang des 20. Jh. und für das Betriebskonzept der Hohenzollerischen Landesbahn. Wagen und vor allem die Lok 11 mit ihren seitenverschieblichen Radsätzen zeigen eindrucksvoll, wie gezielt die HZL ihr rollendes Material ausgesucht hat im Gegensatz zu mancher zeitgenössischen Kleinbahn. Lok 11 ist darüber hinaus ein wichtiger Beleg für die Qualität des Lokomotivbaus der Maschinenfabrik Esslingen, deren Produktion nur noch in wenigen Exemplaren überliefert ist. Sie besitzt daher als Produkt des Pionierunternehmens für die Industrialisierung Württembergs einen nicht hoch genug einzuschätzenden Quellenwert. In dieser Hinsicht weist sie auch, isoliert von der Sachgesamtheit betrachtet, eine besondere Beziehung zum Kulturbereich des Landes auf.

Lok 16 hingegen ist kein Landesprodukt, sie repräsentiert aber in Bezug auf die Betriebsbedingungen eine typische Nachkriegssituation, da sie als Gelegenheit aus Reichsbahnbeständen 1949 angekauft wurde. In der direkten Vergleichbarkeit hinsichtlich Entwurf, Leistung, Laufruhe und Verarbeitungsqualität der beiden Lokomotiven liegt ein sehr hoher Quellenwert für die Technikgeschichte begründet.

Die oben angeführte Sachgesamtheit erfüllt, wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, auch die Anforderungen des § 12, Abs. 2, Nr. 2, indem sie eine besondere Beziehung zum Kulturbereich des Landes aufweist. Es ist daher deren Eintragung in das Denkmalbuch, unabhängig vom Antrag der Eigentümerin auch von Amts wegen zu beantragen. Die besondere Beziehung zur Kultur des Landes wäre im Falle einer Verbringung des Fahrzeugmaterials - auch in Teilen - außer Landes nicht mehr aufrecht zu erhalten, insbesondere deshalb, weil keineswegs garantiert ist, dass außerhalb des Landes dasselbe Bewusstsein für den Quellenwert der Sachgesamtheit vorhanden ist wie innerhalb.

Langjährige Erfahrungen haben gezeigt, dass der Markt für historisches Eisenbahnmaterial sich eher an touristisch wirksamen Effekten orientiert als am Quellenwert. Wertvolles historisches Eisenbahnmaterial wurde so bereits schwer beschädigt. Derartiges ist bei den derzeitigen Verantwortlichen der Gesellschaft zur Erhaltung von Schienfahrzeugen nicht zu befürchten, wie mehrere Beispiele belegen. Es ist auch nicht garantiert, dass im Falle einer Abwanderung in ein anderes Bundesland noch derselbe Schutz des Kulturdenkmals gewährleistet werden kann, weil die jeweils geltenden Gesetze einen erweiterten Schutz analog zu § 1.2 DSchG entweder gar nicht kennen oder nur unter der Bedingung der lokalen besonderen Bedeutung. Über Erhaltungsmöglichkeiten im Ausland liegen gar keine gesicherten Erkenntnisse vor. Deshalb wird zur Erhaltung des Kulturdenkmals und dessen Aussagekraft für die Landesgeschichte vorsorglich ein Verbot der dauerhaften Entfernung aus dem Land Baden-Württemberg beantragt. Eine stärkere räumliche Einschränkung würde die eisenbahnhistorischen Aktivitäten zu stark einschränken und wäre daher kontraproduktiv.

Um den erweiterten Schutz des § 12 DSchG sofort wirksam werden zu lassen, wird gleichzeitig der vorläufige Schutz gemäß § 17 DSchG beantragt.

Literatur: Die Fahrzeuge der Museumszüge Sofazügle und Feuriger Elias,
Hrsg. Gesellschaft zur Erhaltung von Schienenfahrzeugen Stuttgart e.V.,
Bruchhausen-Vilsen 1990

17.12.2003 Dr. Münzenmayer